Die Probleme der SPD sind größer als Nahles

Die Mail, die am Sonntag um 9.55 Uhr an alle SPD-Mitglieder heraus ging, hatte es in sich: In wenigen Sätzen kündigte Andrea Nahes ihren Rücktritt als Fraktions- und Parteivorsitzende an. Begründung: fehlender Rückhalt.

Es ist eine häufige Annahme, dass der Wechsel an der Spitze einen Neustart bringt. Doch allzu häufig stellt sich diese Annahme als Irrglaube heraus. Zahlreiche Bundesliga-Vereine können davon berichten. Und die SPD.

Zehn Vorsitzende hatte sie in der Zeit, in der Angela Merkel die CDU geführt hat. Darunter Martin Schulz, der die SPD anfänglich zurück in Umfragehöhen führte, die sie schon fast aufgegeben hatte. Umso schmerzhafter der Absturz. 20,5 Prozent holte die SPD unter Schulz bei der Bundestagswahl. Dann übernahm Nahles den Vorsitz von Partei und Fraktion. Den Abstieg stoppte das nicht. 15,8 Prozent bei der Europawahl.

Ja, Nahles hat Fehler gemacht. Manchen Sozialdemokraten sind ihre öffentlichen Auftritte richtiggehend peinlich, beim Wähler ist sie unbeliebt. In Partei und Fraktion gibt es Kritik an ihrem Führungsstil. Dass sie die Entscheidung mitgetragen hat, den in Ungnade gefallenen Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen zu befördern, offenbarte einen erschreckenden Verlust an Einschätzungsvermögen.

Doch wer auch immer Nahles auf den Spitzenpositionen folgt: Es ist unwahrscheinlich, dass das die SPD aus ihrer mittlerweile existenzbedrohenden Krise holt. Zu tief liegen die Probleme der Partei. Weiterlesen

Der Gipfel politischer Verantwortungslosigkeit

Die Geschichte des Brexit ist eine Geschichte politischen Versagens. Angefangen mit dem ehemaligen Premierminister David Cameron, der seiner Karriere zuliebe ein Land über die komplexe Frage des EU-Austritts abstimmen ließ.

Brexit-Hardliner wie Nigel Farage und Boris Johnson machten mit plattem Populismus, Halb- und Unwahrheiten erst Wahlkampf und entzogen sich dann der Verantwortung: Johnson, ehemaliger und sehr populärer Bürgermeister von London, schmiss nach einer kurzen Episode als Außenminister hin. Farage gab den Ukip-Vorsitz kurz nach dem Referendum ab – seine Arbeit sei getan, nun wolle er sein Leben zurückhaben. Doch die Arbeit fing da erst an. Weiterlesen

Der Triumph der Umarmerin

51,75 Prozent der Delegierten haben sie am Ende gewählt, das ist knapp, aber es reichte: Annegret Kramp-Karrenbauer ist die neue starke Frau in der CDU. Sie gilt zwar nicht als feurige Rednerin, hat aber auf dem Parteitag in Hamburg eine kämpferische Rede gehalten. Eine Rede, die Mut machen und ihre Partei mitnehmen sollte – als Ganzes: Sie sagte, sie kenne keine wirtschaftsfreundliche Union und keine arbeitnehmerfreundliche. Sie kenne nur die eine Union. Ihr Leitmotiv war Mut, das von Merz der Kampf gegen die AfD. Seines war Stärke, ihres Gemeinschaftlichkeit. Mit dieser Umarmungsstrategie hat sie die CDU überzeugt.

Und daran wird sie sich messen lassen müssen. Für die CDU kommt es nun darauf an, ob es ihr gelingt, auch die Anhänger des unterlegenen Kandidaten Friedrich Merz mitzunehmen. All jene, die laut applaudierten, als Merz das Lob der Fleißigen in unserem Land beschwor, klare Kante sowohl in der internationalen Politik als auch gegen die AfD zeigte. Weiterlesen